Mitte des 15. Jahrhunderts wurde die Verbreitung von Wissen durch neue Erfindungen beschleunigt, besonders durch die Erfindung des Buchdrucks von Johannes Gutenberg. Nürnberg, die Stadt in der Valentin Ostertag von 1502 bis zu seinem Tod lebte, war damals die führende Druckerstadt Europas. Mit dieser Erfindung wurde die Voraussetzung für öffentliche, wie auch für private Bibliotheken geschaffen.
Während der Herrschaft Maximilians I. (1486), der das Geistesleben, also den Humanismus und die Künste stark förderte, gab es viele Reformen. Dazu gehörten die Einführung des Reichskammergerichts und die Errichtung von Reichskreisen. Dies ermöglichte eine effizientere Verwaltung der Hoheitsgebiete. In dieser obersten Instanz des Reiches war Valentin Ostertag tätig.
Weitere bedeutende Ereignisse waren 1492 die Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus und die beginnende Reformation. Die in der Bevölkerung vorhandene tiefe Religiosität stand im Gegensatz zur weltlich abgesunkenen katholischen Kirche.
Unter Papst Leo X. prunkvollen und übertriebenen Leben, war die katholische Kirche hoch verschuldet. 1506 begann der Papst mit dem Bau des Petersdoms., Dies führte zu noch mehr Schulden und zur Einführung des Ablasshandels. Mit dem Kauf von sogenannten Ablassbriefen konnte man seine Sünden abbezahlen und, nach Beteuerung der Kirche, die Zeit im Fegefeuer verkürzen.
Martin Luther hatte sich schon zu Lebzeiten Ostertags gegen den Ablasshandel ausgesprochen. Insofern konnten Ostertag die Ideen Luthers bekannt gewesen sein. Nach Meinung Luthers war für die Errettung allein der Glaube notwendig (sola fide). Am 31. Oktober 1517 nagelte er mit lauten Hammerschlägen, die durch ganz Europa hallten, seine 95 Thesen an die Tür der Schloßkirche zu Wittenberg.
Damit brachte er die Reformation und das Zeitalter der Glaubenskriege ins Rollen. 1520 behauptete Luther, dass der Papst nicht der Stellvertreter Gottes auf Erden sei. Nach seiner Überzeugung hatte jeder Gläubige das Recht selbst seine Lehren aus der Bibel abzuleiten. 1521 begann er seine Übersetzung der Bibel aus dem Lateinischen in die deutsche Sprache.
Jean Calvin (1509 - 1564), Reformator der spätmittelalterlichen Kirche und Gründungsvater des reformierten Protestantismus, gilt als größter Schüler Martin Luthers, obwohl sie sich nie begegnet sind. Calvins Lehre von der Vorherbestimmung, der zu Folge am wirtschaftlichen Erfolg eines Menschen sein Ansehen bei Gott zu erkennen ist, hat dazu geführt, dass Calvin häufig auch als Vater des Kapitalismus bezeichnet wird und das protestantische Arbeitsethos daraus resultiert.
1519 gründete Franz von Thurn und Taxis die erste reguläre Post und erleichterte dadurch die Kommunikation.
Um 1500, der „Nürnberger Zeit“ Valentin Ostertags, betrug die Bevölkerungszahl in Deutschland 10 Millionen Menschen. Der Humanismus bewirkte einen Aufschwung in den Naturwissenschaften. Bereits 10% der Menschen konnten nun lesen und schreiben. Ende des 15. Jahrhunderts ist ganz Europa auf Wachstum ausgerichtet. Es entstanden neue Berufe, neue Technik, neue Märkte und auch ein neues Wissen.
Die Stiftungsgründung liegt in einer Zeit großen gesellschaftlichen Umbruchs, der Entstehung neuer Wertesysteme, neuer sozialer Verantwortung und einem ausgeprägten Fortschrittsdenken.
Die mittelalterlichen Herrscher befreiten die damals üblichen Seelenstiftungen und „milden Stiftungen - piae causae“ häufig von Steuern und Erbenrechten. Doch galt dies zunächst nur für die üblichen kirchlichen Stiftungen.
Mit Beginn der Neuzeit traten auch weltliche Zwecke in den Vordergrund. Wie zum Beispiel der Loskauf aus Gefangenschaft, Gelder für profane, also weltliche, Hospitäler, für die Eheaussteuer oder das Studium von Armen, wie bei der Valentin-Ostertag-Stiftung. Die eintretende Neuzeit veränderte also das Stiftungswesen gewaltig. Es wurde seltener, wie noch im Mittelalter üblich, im Jenseits zu denken. In der Wirklichkeit, also im Diesseits, Gutes zu tun, der Gemeinschaft zu nutzen und somit seiner Person Ausdruck zu verleihen, wurde immer wichtiger.
Ein weiterer besonders wichtiger Gegensatz zur Stiftungspraxis im Mittelalter war, dass bei weltlichen Stiftungen nicht mehr automatisch der geordnete Amtsapparat der Kirche bereitstand, um die Stiftung zu verwalten. Ging es nun um weltliche Zwecke, so musste die Stiftung also eine eigene „Organisation“, eine Satzung haben, die vom Stifter selbst auch geregelt werden musste.
Der individuelle Stifterwille, das Schaffen einer eigenen Organisation und die weltlichen Zwecke, sind die Merkmale der Modernität. Diese Merkmale entsprechen genau denen der VOS.
Die Valentin-Ostertag-Stiftung ist somit typisch für die beginnende Neuzeit, als eine „frühbürgerliche Stiftung eines Juristen, der durch eigene Leistung und Gelehrsamkeit aus dem Bauernstand in den niederen Dienstadel aufgestiegen war“.
In der Reformation wurde versucht, das übliche Stiftungsverhalten einzuschränken. Dies betraf insbesondere die Memoria und das Erkaufen von Seelenheil, also den Ablass von Sünden. Margreth Ostertag wuchs in Heidelberg auf. Dort hatten sich bereits vor 1529, also noch vor der Abfassung ihres letzten Testaments, reformatorische Ideen verbreitet, die unter anderem auch zur Lockerung der geistlichen Lebensform führten.
Doch die übliche Stiftungspraxis änderte sich kaum. Da auch im aufkommenden Protestantismus Barmherzigkeit als verdienstvoll galt, finanzierte man nach wie vor Wohngebäude, Stipendien oder Almosen und ließ die Begünstigten für das Seelenheil der Stifter beten. Dies trifft auch auf die VOS zu. Bei aller zu vermutender Sympathie Valentin Ostertags für die Lehre Luthers hielt er auch nach der Einführung der Reformation der katholischen Religion die Treue.
Wesentlich größeren Einfluss auf die Stiftung hatte der Humanismus, dessen geistige Zentren Nürnberg, Augsburg, Heidelberg und Straßburg waren. Nürnberg und Heidelberg waren zeitweise die Wohnorte des Ehepaars Ostertag. Nach humanistischer Vorstellung sollte Bildung für alle Menschen zugänglich sein. Von dieser Leitidee ist die Ostertag-Stiftung bis heute geprägt. In den Testamenten wird festgelegt, dass Kinder, egal welchen Standes, die überdurchschnittlich intelligent waren, gefördert werden sollen. Auch die Möglichkeit die wertvolle Bibliothek Valentin Ostertags zu nutzen, die dieser der Stadt Dürkheim vermachte, ist ein Zeichen der humanistischen Grundidee.
Der Idee des Humanismus verdankte auch Valentin Ostertag selbst seinen Bildungsstand. Er stammte, zumindest der Legende nach, aus einfachen Verhältnissen, was seine Biografie zeigt. Es ist anzunehmen, dass humanistische Vorstellungen ihn bei der Idee seiner Stiftung und damit der Förderung begabter junger Menschen sehr stark geprägt haben. Eine Forderung dieser Humanisten war das früh beginnende Bemühen um Bildung und Erziehung des Charakters und des Geistes bei Kindern. Bis heute beschäftigt sich die Stiftung Ostertags sehr stark mit der Jugend.
Auch der Zeitgenosse Jakob Fugger fühlte sich dem Geist des Humanismus verpflichtet. So ganz geheuer schien ihm damals nämlich sein Streben nach Geld und Macht nicht zu sein. Als reichster Mann seiner Zeit fragte er sich, ob sein Gewinnstreben mit der Forderung nach dem „Gemeinen Nutzen“, also dem Wohl der ganzen Gesellschaft, wie es der Humanismus forderte, vereinbar ist, oder ob er schon einer war, dem „Gut vor Ehre“ geht, obwohl ihm nach den Normen seiner Zeit „Ehre vor Gut“ gehen sollte.
Martin Luther, die große Persönlichkeit der Reformationsbewegung, der lautester Kritiker von Jakob Fugger, bezeichnete ihn damals als „der Hecht, der die anderen Fische frisst“.
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