Dies ist deshalb interessant, weil die hier untersuchte Stiftung zwar von Valentin Ostertag gewollt, jedoch von seiner Frau Margreth umgesetzt wurde.
Frau Margreth Ostertag verfasste damals insgesamt vier zeitlich aufeinander folgende Testamente. Die Abfassung eines Testaments war damals in Bezug auf die Verteilung der Vermögenswerte durch Pflichtteile und Erbschaftssteuern gesetzlich eingeschränkt. Jeder freie Bürger war damals berechtigt ein Testament zu verfassen. Dies galt zwar auch für Frauen, jedoch in der Regel nur mit Zustimmung ihrer Vormünder. Zu diesen Vormündern zählten der Vater, der Ehemann, oder eigens dazu bestellte „Provisoren“.
Ehemänner konnten damals allerdings auch ihre Ehefrauen frei und unabhängig von Vormündern über die Vermögenswerte verfügen lassen. Dies war zwar ungewöhnlich, traf aber auf Valentin Ostertag zu. Margreth konnte deshalb ihr Testament dreimal ändern, ohne dass andere Personen einwilligten mussten.
Üblich für Führungsschichten waren testamentarische Spenden beispielsweise für den Bau von Klöstern. Besonders kirchliche Stiftungen waren die Regel, um die Sorge der damaligen Eliten für das allgemeine Wohl ihrer Stadt, zu dem die Kirchen und Klöster gehörten, über den Tod hinaus zu demonstrieren. Die im Mittelalter hauptsächlich begünstigte Gruppe war die der Geistlichen. Mit dem Schenken des Vermögens an fromme oder mildtätige Zwecke, konnte man seiner persönlichen Frömmigkeit Ausdruck verleihen.
Testamente wurden zum Anlass genommen, über sich selbst, über die Beziehung zu Gott, vor allem aber über die Beziehung zur Familie zu schreiben. Die meisten Frauen stifteten einen Teil ihres Erbes an religiöse und wohltätige Institutionen. Dabei spielte die Sorge um das eigene Seelenheil sowie das Seelenheil des Verstorbenen eine große Rolle. In der Regel wählten sie in ihren testamentarischen Bestimmungen einzelne Personen oder Institutionen aus und betrauten diese mit der Aufgabe der Gestaltung der individuellen „Memoria“, also dem Gedenken an den Erblasser. Memoria bedeutet demnach „die Überwindung des Todes und Vergessens durch Gedächtnis und Erinnerung“. Die Totensorge für den Gatten war unabdingbar.
Nicht nur in Frauentestamenten spiegelte sich die Sorge um das eigene Seelenheil. Jakob Fugger, genannt „der Reiche“, Kaufherr zu Augsburg und wie Ostertag Kaiserlicher Rat, war zu seiner Zeit der wohlhabendste Mann der Welt. Er ließ in seiner als „Fuggerei“ bezeichnete Reihenhaussiedlung unverschuldet in Not geratene Menschen für eine Jahresmiete von einem rheinischen Gulden, dem damaligen Wochenlohn, wohnen, wenn sie täglich drei Gebete für ihn sprachen.
Neben dem Seelenheil wurden auch aus christlicher Nächstenliebe und dem aufkommenden Geist des Humanismus Bedürftige berücksichtigt. Dies galt als Ausweis der Selbstlosigkeit. Testamente, in denen zugunsten von Armen gespendet wurde, festigten damals das gesellschaftliche Ansehen. Margreth Ostertag bezeichnete diese Begünstigten als „verschämte Arme“. Sie erhielten Zuwendungen in Form von Bargeld und Lebensmitteln, beispielsweise einen „Veltensweck“ am Valentinstag. Unter „verschämten Armen“ verstand man Witwen und Waisen, arbeitsunfähige Dienstboten sowie mittellose Alte und Kranke.
Unterlassene Wohltätigkeit galt damals als Sünde. Barmherzige Taten auf Erden wurden dagegen mit himmlischem Lohn vergolten. Mönche und Nonnen aber auch die beschenkten Armen beteten als Gegengabe für empfangene Almosen für die Erlösung der Seelen der Wohltäter.
„… die Übergabe der Fördergelder erfolgt jährlich am Valentinstag. Die Empfänger müssen an diesem Tag des morgens in der Pfarrkirche daselbst das ganz singend Amt der heiligen Messe von Anfang bis zum Ende hören und dabei für die Seele meines Herrn und Hauswirts beten und auch meine Seele, die wir solches gestiftet haben…“
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